Geschichte

Wer sich der Stadt Alsfeld auf der Autobahn von Westen her nähert, sieht zur Rechten, malerisch aus dem Schwalmtal aufsteigend, die Altenburg. Hoch auf der vorspringenden Bergnase gewahrt er, eingebettet in das Grün uralter Bäume des Schlossberges, das Riedesel-Schloss, überragt von der barocken Haube des Kirchturms. Schmucke Fachwerkhäuser lehnen sich an den "Alten Berg" an. Am jenseitigen Talhang steigt das Dorf an bis zur Höhe der "Lauterbacher Straße".

Landschaft

Ein Dorf ist eine natürlich gewachsene Siedlungsgemeinschaft, die geprägt ist durch die Landschaft, durch die Verkehrswege und durch ihre Geschichte. Unser Heimatdorf liegt am Abhang und am Fuße eines Basaltrückens, der sich vom Vogelsberg her zwischen dem oberen Antrifttal und dem Krebsbachtal einerseits und der Schwalm auf der anderen Seite hinzieht. Er läuft am Rabenberg im Alsfelder Becken aus. In Altenburg fällt dieser meist bewaldete Höhenzug von einer Bergnase her steil zur Schwalm hin ab. Der Höhenunterschied vom Schloss (327 m ü.d.M.) bis zum tiefsten Punkt an der Lotzenmühle (260 m ü.d.M.) beträgt 67 Meter. Dieser Höhenrücken besteht aus zwei Basaltschichten, einer oberen Decke aus basischem Basalt und einer unteren aus saurem Basalt. Dazwischen liegt eine miozäne, wasserundurchlässige Tonschicht, auf der sich ein Grundwasserbecken gebildet hat. An verschiedenen Quellaustritten tritt dieses Grundwasser zutage, so am Hainbörnchen, an der Hainkaute, der ehemaligen Hofkaute und der früheren Kieskaute. Die zweite, saure Basaltschicht ruht ebenfalls auf einer wasser- undurchlässigen Mergel- und Tonschicht. Hier hat sich ein sehr starkes Grundwasserbecken gebildet, das an der 285-Meter- Höhenlinie in einer Reihe von Quellaustritten erkennbar wird (Zeißenberg, Eselsborn, Brammeteich).

Klima

Der Nordostabhang des Vogelsberges ist nicht so regenreich wie der Südwestabhang. In Altenburg beträgt die durchschnittliche jährliche Niederschlagsmenge, die sich aus Messungen über einen Zeitraum von 60 Jahren ergibt, 700 mm. Das ist ein sehr guter Mittelwert, bezogen auf die anderen Kreisorte.
Die mittlere Jahrestemperatur beträgt in Altenburg 7,5 Grad Celsius. Sie ist bekanntlich von der Meereshöhe abhängig. So beträgt die mittlere Jahrestemperatur im Rhein-Main-Becken 9 Grad, im hohen Vogelsberg nur 5,5 Grad. Also auch hier ein Mittelwert. Für die Monate Mai bis Juli wird für Altenburg die mittlere Temperatur mit 14,5 Grad angegeben.

Gemarkung

Die Gemarkung Altenburgs ist verhältnismäßig klein. Ihre Gesamtfläche betrug (1951) 502 ha. Davon wurden 283 ha landwirtschaftlich genutzt, der Rest entfiel auf Waldfläche (152 ha), Höfe, Gärten, Wege, Gewässer und Ödland. Bei der geringen Ausdehnung der Gemarkung ist es nicht verwunderlich, dass die Altenburger schon frühzeitig Grundbesitz in der Alsfelder Gemarkung erwarben. Herbert Jäkel weist in seiner Arbeit "Ackerbürger und Ausmärker in Alsfeld" nach, dass die Altenburger im Jahre 1953 in der Alsfelder Gemarkung 262 ha Eigenland und 25,2 ha Pachtland bewirtschafteten, das waren 53% ihrer gesamten Wirtschaftsfläche. 6 Betriebe hatten mehr als 20 ha, 7 bearbeiteten zwischen 10 und 20 ha, der Rest waren Klein- und Kleinstbesitzer.
Der Strukturwandel, der sich seitdem vollzog, ging auch an Altenburg nicht vorbei. Durch die Ansiedlung von Industrie- und Gewerbebetrieben jenseits der Lauterbacher Straße hat sich die Struktur des ursprünglichen Bauerndorfes, das sich am 1. Dezember 1969 der Stadt Alsfeld angeschlossen hat, stark verändert und in infolge neu erschlossener Baugebiete zwischen Schwalm und B 254 auch zu einem bevorzugten Wohnort entwickelt.

Vorgeschichte

Altenburg ist eine der ältesten Siedlungen unserer näheren Heimat. Seine Gemarkung war schon in frühgeschichtlicher Zeit besiedelt. Das beweisen die Hügelgräber und die vielen Ackerterrassen, die sich auf der Südwestseite des Gänsberges, des Baumgartskopfes und des Häuscheskopfes zum Krebsbach hinabziehen. Ausgrabungen ergaben. dass hier die Menschen der Hügelgräber-Bronzezeit vor etwa 3000 bis 3500 Jahren in ihren primitiven Hütten lebten und die schmalen Äcker bebauten. Über ihr Leben wissen wir nur das, was uns der Boden bisher an Funden freigegeben hat.
Inzwischen hat der Wald von diesem frühgeschichtlichen Siedlungsgebiet Besitz ergriffen und viele Spuren verwischt. So können wir auch nicht mehr einwandfrei nachweisen, ob sich auf der Höhe des Gänsberges und des Katzensteines eine frühgeschichtliche Ringwallanlage befunden hat, wie 0. Spaar nach zuweisen versuchte. Auch Deutungsversuche der Namen "Gänsberg" und "Katzenstein" aus frühgermanischem Sprachgut bringen keine eindeutigen Beweise. Immerhin könnten die sicherlich sehr alten Flurnamen "Maueracker" und "Hinter der Mauer" auf sehr frühe Befestigungsanlagen auf der weit vorspringenden Bergnase hindeuten. Diese Vermutung führt uns dann auch gleich auf das frühgeschichtliche bzw. frühmittelalterliche Straßennetz.

Das Straßennetz

Drei sehr frühe Straßen stießen in Altenburg zusammen:
Aus dem Gebiet des Untermains führte die "linke Nidderstraße" über die Höhen des Vogelsbergs, Ulrichstein, Meiches, Storndorf, Vadenrod nach Altenburg. Die heutige Waldstraße nach Vadenrod folgt mit geringen Abweichungen dem Verlauf der alten Straße. Sie führte an der Burg vorbei und endete in der "Hochstraße".
Hier stieß sie auf eine West-Ost-Straße, die frühgeschichtliche "Ochsenstraße", die vom Holzberg bei Liederbach kommend, über den "Wahl" nach Altenburg führte, dort in einer Furt die Schwalm durchquerte und beim Forsthaus die jetzige Fulder Straße überschritt. Von hier führte sie durch die Ingelhohl, am Großen Sand vorbei nach dem Homberg und weiter nach Eifa, dem Raume Thüringen entgegen.
Die dritte und jüngste Straße war "die alte Fuldische Straße". Sie zweigte von der großen Reichsstraße durch das Kinzigtal nach Fulda ab, führte über Maar, Reuters nach der Sorge. Hier kreuzte sie eine von Süden kommende Straße und führte über Hopfgarten, Niederhopfgarten (Wüstung) am linken Schwalmufer entlang nach Altenburg und Alsfeld. Die heutige Lauterbacher Straße, in alter Zeit auch "Klingelstraße" genannt, entstand erst im 16. Jahrhundert. Die Kunststraße. "Chaussee", Alsfeld-Lauterbach wurde 1825-41 gebaut.

Das Dorf

Dem Dorf selbst fehlt eine gewisse organische Geschlossenheit. Der Kern schmiegt sich um den Burgberg, den "Alten Berg", und entstand aus den beiden mittelalterlichen Ansitzen, dem "Oberen" und dem "Unteren Hof". Eine zweite, in sich geschlossene Gruppe von Bauernhöfen bildete die sog. "Keidelsecke". Hier befand sich im späten Mittelalter eine "Waldschmiede", deren Hämmer von der Schwalm angetrieben wurden. Das traf auch auf andere Mühlen zu. Neben der Schlagmühle des Waldschmittenhofes muss schon verhältnismäßig früh im Tal die "Steinmühle", später Achenbachsche Mühle, entstanden sein. Sie war eine Bannmühle, in der die Bauern von Eudorf und Liederbach mahlen lassen mussten. Dazu gab es eine Schlag- und Mahlmühle, die später als Kupfermühle diente und sich an der Stelle der Lotzenmühle befand.
Die einstige Siedlung Leidenrod, die oberhalb von Altenburg wohl bei der Fuhrschen Fabrik lag, ist eine totale Wüstung, sie ging nach und nach in Altenburg auf.

Die Bevölkerungsentwicklung

Zum ersten Male erfahren wir etwas über die Bevölkerung Altenburgs im Salbuch des Jahres 1574. Der Landgraf ließ damals durch seinen Rentmeister und Rentschreiber eine Bestandsaufnahme in den Ämtern seines Landes vornehmen. Wir erfahren darin, dass in Altenburg 12 Ackersleute mit ihren Familien lebten und 20 "Einleuftige" (Leute ohne Vieh- und Landbesitz), was einer Einwohnerzahl von etwa 150 entsprach. In diesem Salbuch sind alle Steuern und Dienste aufgeführt, die die Untertanen dem Landgrafen leisten mussten. Wir erfahren von dem Burgsitz, den damals Christoph von Liederbach pfandweise von den Riedesel inne hatte. Wir lesen, welche Adelsfamilien Lehen in unserem Dorfe besaßen. Altenburg hatte damals schon die genannten drei Mühlen. Die Flurnamen jener Zeit sind zum großen Teil bis auf den heutigen Tage erhalten geblieben.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg und der Pest von 1666 zählte Altenburg 1669 nur noch 120 Einwohner. 1770 hatte es 40, 1804 schon 50 Wohnhäuser und 264 Einwohner. Das Dorf nahm in dieser Zeit einen lebhaften Aufschwung. Das Weberhandwerk blühte in jener Zeit, namentlich die Leinenweberei. Eine Einwohnerliste mit Berufsangaben aus dem Jahr 1800 zählt 21 Ackermänner, 22 Leineweber, 15 Tagelöhner, 3 Schneider, 3 Schmiede, 1 Wagner, 1 Maurer und 1 Zimmermann auf. Auch in der Landwirtschaft war ein gewisser Wohlstand eingetreten. Die Getreidepreise waren gestiegen. Für ihre vielen Kriegsfuhren in den vergangenen Kriegszeiten erhielten die Bauern nach 1818 die Kriegsfuhrlöhne ausgezahlt. Dadurch bekamen sie viel Bargeld in die Hand. Sie kauften jetzt in vermehrtem Umfang Äcker in der Alsfelder Gemarkung. Der wachsende Wohlstand fand auch seinen Ausdruck in einer vermehrten Bautätigkeit. Die großen, geräumigen Bauerngehöfte in Altenburg entstanden alle in der Zeit von 1750 bis 1820. Der Abkauf der Grundrenten nach 1821, bei dem die Bauern das 1 8fache des Grundrentenbetrages bezahlen mussten, um in den freien Eigenbesitz ihres Landes zu gelangen, vollzog sich in Altenburg in verhältnismäßig kurzer Zeit. Eine Anzahl Bauern besaß so viel Eigenkapital, dass sie der verschuldeten Gemeinde Gelder leihen konnten. Die Gemeinde hatte 1822 bei ihren Bauern 4487 fl. Schulden. 1824 besaßen die Altenburger: 41 Pferde, 75 Kühe, 6 Rinder, 98 Schweine, 38 Fahrochsen, 850 Schafe, 12 Ziegen, 1 Esel. 1824 hatte das Dorf 408, 1828 bereits 446 Einwohner, 16 Bauern und 20 Gewerbetreibende. Manche Einwohner fanden beim Chausseebau von 1825 bis 1841 Arbeit. Während die Landwirtschaft aufblühte, ging das Handwerk der Leinenweber stark zurück, seitdem die Tuchmanufakturbetriebe mit eigenen Schaf- und Baumwollspinnereien aufkamen. Die sonst so fleißig klappernden Webstühle standen still, ein uraltes Gewerbe war dem Untergang geweiht. Diese neue Entwicklung spiegelt sich in den Auswanderungen wider.

Mit dem Beginn der Industrialisierung, durch Missernten, aber auch durch die politischen Verhältnisse in Deutschland begannen die Auswanderungen. Überall in den Dörfern traten damals Agenten auf, die für die Auswanderung warben und den Auswanderungslustigen goldene Berge versprachen. Bis zum Jahr 1867 wanderten aus Altenburg insgesamt 21 Familien aus. Der größere Teil, nämlich 15 Familien, ging nach Amerika, 6 Leineweber zogen nach Polen, wo im Raume Lodz eine neue Webindustrie entstanden war. Unter den 21 Auswandererfamilien waren 12 Leinweber, 4 Ackermännern, 2 Schmiede, 1 Wagner, 1 Schneider. Infolge der Auswanderung sank die Bevölkerung von 1837 bis 1867 von 498 auf 416 ab. Die Zahl der Wohnhäuser blieb mit 61 konstant. Mit dem Bau der Oberhessischen Eisenbahn 1869/70 und dem Beginn des allmählichen Wirtschaftswachstums setzte auch hier wieder ein Aufwärtstrend ein. Im Jahr 1871 hatte Altenburg wieder 471 Einwohner. Allein die 1886 vollmechanisierte Weberei im ehemaligen Leidenrod beschäftigte 60 bis 70 Personen. Bis zur Jahrhundertwende war die Bevölkerungszahl auf 627 gewachsen, die in 84 Häusern wohnte. Die Ausdehnung des Dorfes vollzog sich in Richtung Alsfeld, entlang des sog. "Stadtweges" und an der "Lauterbacher Straße", wo bisher nur vier Gehöfte gestanden hatten.

Von Kriegs- und anderen Nöten

Wenn auch für Altenburg selbst Aufzeichnungen über erlittene Kriegsnöte besonders aus dem Dreißigjährigen Krieg fehlen, so erzählen uns die Alsfelder Chroniken des 17. Jahrhunderts, vor allem die Gutweinsche Chronik, die Aufzeichnungen des Pfarrers Happel und die Chorographie von Gilsa und Leußler so viel über die Leiden und Nöte, die der Krieg über die Alsfelder Einwohner brachte, dass wir uns recht gut ein Bild davon machen können, wie auch die Bevölkerung der umliegenden Dörfer genau so unter den Kriegswirren litt. Vor allem berichtet die Chronik des Pfarrers Erasmus Antonius Susenbeth von Brauerschwend über die Geschichte des Krieges. Unsere Heimat kam zum ersten Male mit dem großen Krieg in Berührung, als Herzog Christian von Braunschweig - der "tolle Christian~' genannt - 1622 die Gegend mit einem 32.000 Mann starken Heer heimsuchte. Gewalttaten, Raub und Plünderung musste die Bevölkerung über sich ergehen lassen. Vom 30. September bis 6. Oktober 1646 wurde Alsfeld von den Niederhessen belagert und aus 12 Kartaunen und 2 Feld- schlangen beschossen. Am 6. Oktober drangen die Niederhessen in die Stadt ein, raubten und plünderten. Sollte dabei Altenburg ungeschoren geblieben sein? Pfarrer Susenbeth berichtet, wie die Bewohner von Brauerschwend im Februar des Jahres 1647 vor den Kriegshorden des Generals Königsmarck teils nach Alsfeld, teils nach Lauterbach flüchteten. Die Soldaten ergriffen viele auf der Flucht, quälten sie und nahmen ihnen ihr bisschen Habe, insbesondere Geld und Vieh ab. Die Kriegsvölker hausten schlimm in den Dörfern. In Brauerschwend drangen sie in die Kirche ein, zerschlugen die Kirchenbänke und verbrannten sie. Im November 1647 waren die Bewohner des Schwalmgrundes wiederum auf der Flucht. Erst im Februar des kommenden Jahres konnten sie in ihre Dörfer zurückkehren. Da der Winter sehr kalt war, hieben die Soldaten die Obstbäume um, rissen halbe Häuser und Scheunen ab und verbrannten sie. Frucht und die Futtervorräte waren aufgezehrt, weggeführt oder verdorben. Vom 8. Januar 1647 schreibt Pfarrer Susenbeth: ist dem wohledelgeborenen und vesten Wilhelm Schetzeln von Mertzhausen, einem verwaisten Junker, meinem vorgewesen discipulo (Schüler), sein adelich Burgk-Haus Altenburgk von Niederhessischen Völkern, so damals in Alsfeld logiert, freffentlich ruiniert, alles darinnen verwüstet, die Mauer teils geschleift, und der hohe Turm inwendig verbrandt worden".
Altenburg hatte am Ende des Dreißigjährigen Krieges noch 120 Einwohner. Im Juni 1666, so erzählt uns die Chronik des Pfarrers Happel, brach in Wahlen und Altenburg die Pest aus. Die Stadt Alsfeld und die übrigen "gesunden" Orte riegelten sich sofort ab, stellten starke Wachen aus und ließen keinen Altenburger herein. Am 18. Juli wurden 4 Leute aus einem Haus von Soldaten "bey das Haus" begraben. In der Pestzeit versagten die Alsfelder den Altenburgern auch ihre seit 300 Jahren benutzte Begräbnisstätte auf dem Frauenberg "auff der Seiten neben dem Beinhaus". Es traf die armen Dorfbewohner sehr hart, denn sie bezogen ja ihre "Notturft und Nahrung' zum Teil von Alsfeld. Am schlimmsten war es ihnen aber, dass kein Pfarrer zu ihnen herauskam, um ihnen in ihrer Not mit Gotteswort und Sakrament Trost zu spenden. Sie wandten sich an den Superintendenten in Gießen. So kam denn einmal im Herbst der Pfarrer von Wahlen zu ihnen und predigte in einem Garten. Die Seuche verlief glimpflich. Nach dem ersten schweren Verlust, fast die ganze Familie Enderß fiel der Pest zum Opfer, kamen nur noch wenige Todesfälle vor. Martini (10. Nov.) war sie erloschen. Aber noch blieben die Altenburger ausgesperrt. Auf ihre inständige Bitte befahl der Landgraf am 23. Februar 1667, die alte Ordnung wieder einzuführen. Von jetzt an konnten sie wieder ihre Notdurft und Nahrung treiben wie früher. Im März 1667 wurden sie auch wieder zum Gottesdienst zugelassen. 8 Monate lang waren die Altenburger von der Umwelt ausgeschlossen. Der Siebenjährige Krieg und hier besonders das Jahr 1761 brachte wieder mit Einquartierungen Nöte über die Bevölkerung. Die Forderungen durchziehender Truppen für Verpflegung von Soldaten und Pferden verschlangen riesige Geldsummen, abgesehen von den persönlichen Schäden und Nöten der Bewohner. 37 Jahre später brachten die französischen Revolutionskriege wieder neue Kriegsnot mit Einquartierungen, Fouragierungen und Fuhrleistungen der Bauern. Vom 28. April 1797 bis zum 12. Dezember 1798 lagen französische Kavallerietruppen hier. Altenburg hatte 61 Mann und 42 Pferde aufzunehmen. Die Bewohner hatten für die Verpflegung von Soldaten und Pferden zu sorgen. Dabei waren die Franzosen in ihren Forderungen nicht zimperlich. Tabak, Bier, Schnaps musste die arme Bevölkerung liefern, ja teilweise forderten sie sogar neue Wäsche und Bekleidung. Man kann dieses Kapitel, das von Kriegs- und allerlei anderen Nöten handelt, nicht abschließen, ohne jenes 2. Pfingsttages 1749 - es war der 26. Mai - zu gedenken. An diesem Tag brach über unsere Gegend, vor allem über das obere Schwalmtal und Brauerschwend, ein schweres Unwetter mit Wolkenbruch und Hagelschlag herein. Die Schwalm wurde zum reißenden Fluß, der Felder und Wiesen überschwemmte, den Boden mit sich riß und große Verwüstungen anrichtete. In Altenburg vernichteten die Wassermassen 2 Häuser und rissen die Trümmer mit sich fort. Eine alte Frau und 2 Kinder kamen in den Wassermassen um.

Die Schule

Erst nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde in Altenburg eine Schule eingerichtet. Der erste Lehrer war Johann Cbs Wagner. Es mögen anfänglich nicht mehr als 12-15 Kinder gewesen sein, und die kamen auch nur widerwillig, denn die Bauern brauchten ihre Kinder zur Arbeit und zum Viehhüten. Sicherlich war auch die Besoldung des Lehrers so gering, dass er nebenher noch ein Handwerk ausüben musste. Das erste Schulhaus war in der Erbsengasse, wohl da, wo heute das Haus Werner steht. Es muss wohl ein altes, baufälliges Häuschen gewesen sein, war einmal eine Schmiede gewesen, vielleicht im Zusammenhang mit der alten Waldschmiede. Über 180 Jahre lang befand sich hier die Schule. Das Amt des Schulmeisters blieb etwa 130 Jahre lang in derselben Familie. Auf Clos Wagner folgte sein Sohn Elias bis 1743, auf ihn dessen Schwiegersohn Johs. Roth, der wiederum von dem Enkel Elias Wagner abgelöst wurde. 1790-1791 wirkte Johann Landgreb als Lehrer, auf ihn folgte Georg Christoph Meinhard, der 1829 in Altenburg starb. Mittlerweile wird wohl mit dem Anwachsen der Gemeinde von 120 auf 400 Seelen die Schüler- zahl zugenommen haben. Der Unterricht bei diesen alten Handwerkerlehrern war sicherlich sehr dürftig. Ein bisschen Lesen, Schreiben und Rechnen, Religion und Gesang waren die Unterrichtsfächer. Außer Bibel, Katechismus und Gesangbuch wird es wohl kaum Unterrichtsbücher gegeben haben. Das änderte sich, als im Jahre 1829 der erste seminaristisch gebildete Lehrer Theodor Suppes nach Altenburg kam. Er hatte im Seminar zu Friedberg eine gründliche pädagogische Ausbildung erfahren. Suppes war nur 13 Jahre da. 1842 wurde er suspendiert und 1843 abgesetzt. Er gehörte offenbar der "Freiheitsbewegung" der 40er Jahre an und fiel der Demagogenverfolgung zum Opfer. Das alte Schulhäuschen in der Erbsengasse war inzwischen in einem erbarmungswürdigen Zustand, denn 1844 verkaufte es die Gemeinde auf Abbruch und mietete dafür ein Schullokal bei dem Müller Melchior Linn in der Keidelsecke. Von daher mag auch der Name "Schulhohl" und der Familienname "Schuls" (heute Knorr) stammen.
Nachfolger von Lehrer Suppes wurde Lehrer Kranz, der 33 Jahre lang, nämlich von 1843 bis 1876 hier wirkte. Von 1867 bis 1869 tat Lehrer Korell Dienst in Altenburg, der zu den eifrigsten Gründern des Gesangvereins "Erheiterung" wurde. Lehrer Kranz lebte noch bis 1890. Ihm gehörte das Haus am Schlossberg, wo sich heute der Kindergarten befindet. Ganze sechs Jahre blieb die Schule in der Keidelsecke. Zum Bauen hatte die Gemeinde noch kein Geld. Sie kaufte dafür vom Baron Riedesel 1850 das ehedem Karl Haßfeldsche Haus für 3130 Gulden. Karl Haßfeld war Maurer und Bauunternehmer und hatte das Haus in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts erbaut, starb aber sehr früh. Von den Erben erwarb es der Freiherr Riedesel. Die Räume der späteren Gastwirtschaft Ebeling dienten zunächst annähernd 60 Kindern als Schulsaal. 1877 entschloss sich die Gemeinde zum Neubau. Die neue Schule wurde am 8. September 1878 feierlich eingeweiht. Lehrer Wilhelm Biedenkopf, der 1877 von Ehringshausen hierher versetzt worden war, zog als erster in die neue Schule ein. Er wirkte hier bis 1902. Als er 1901 erkrankte, kam als sein Vertreter der noch nicht l9jährige Lehrer Karl Zoll nach Altenburg und blieb hier bis 1904. Mittlerweile war die Bevölkerungszahl der Gemeinde auf 650 Seelen angewachsen, Die Schülerzahl war so groß, dass man am 1.4. 1902 die Schule teilen musste. Die Gemeinde mietete für die neue Unterklasse ein Schullokal in der Haberkornschen Mühle (heute Lotz). Hier wirkte der junge Lehrer Hermann Walter ein Jahr lang. 1903 ging er nach Hopfgarten. Am 1. 10. 1903 kam Lehrer Karl Weber nach Altenburg. Das Schullokal in der Mühle konnte nur eine Übergangslösung sein. Die Gemeinde erbaute in den Jahren 1903-1904 gegenüber der bisherigen eine neue Schule (heute Dorfgemeinschaftshaus), die von Lehrer Kurz bezogen wurde. Altenburg im 20. Jahrhundert bis zum Ende einer Selbstständigkeit Die Bevölkerungsentwicklung in Altenburg war immer eng mit dem Auf und Ab der Alsfelder Wirtschaft verbunden. So wuchs die Bevölkerung im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts wiederum um 182 Seelen auf die stattliche Zahl 809. In dieser Zeit von 1900 bis 1933 wurde auch wieder viel gebaut. 26 Neubauten entstanden, namentlich an den beiden neuen Straßen "Am Mühlacker" und "Am Eichacker". Beim Bau der Hersfelder Nebenbahn 1914-1916 und dem Bau der Autobahn 1936/37 fanden viele Altenburger lohnenden Verdienst. In 100 Jahren hatte sich auch das äußere Bild der Altenburg gewandelt. Die schlechten Wirtschaftswege waren geschottert und breiteren Dorfstraßen gewichen. Nach Alsfeld wurde aus dem Stadtweg eine richtige Chaussee, ebenfalls in der Richtung Lauterbach. Statt der Holzstege überbrückten jetzt steinerne Brücken die Schwalm in der Keidelsecke und hinter der Haberkornschen Mühle. 1911/12 erhielt Altenburg nach hartem Kampf und Streit eine Wasserleitung. in den folgenden Jahren kam elektrisches Licht ins Dorf. Nachdem mitten im 1. Weltkrieg. im Jahre 1916. Lehrer Weber gestorben war. wurde die Schule bis 1921 von den Lehrern Huff, Herbst und Rötter verwaltet. 1921 wurde die Stelle wieder mit Lehrer Friedrich Schön besetzt, der bis 1932 blieb. An seine Stelle trat Otto Diehl. In der Unterklasse blieb Lehrer Kurz 20 Jahre lang. 1924 trat dieser in den Ruhestand. Lehrer Adami verwaltete die Stelle ein Jahr lang. 1925 kam Lehrer Ludwig Stoll an die Stelle (er wirkte vorher in Lehrbach). Er blieb bis zu seiner Pensionierung 1936. Nach kurzer Verwaltung durch Lehrer Rudi Schmidt übernahm 1937 Lehrer Georg Brenner die Klasse und führte sie bis zum Zusammenbruch 1945. Vor Ausbruch des 2. Weltkrieges waren 777 Menschen in Altenburg ansässig. Die Zahl der bewohnten Häuser war auf 120 gewachsen. Nach dem Krieg erlebte das Dorf durch das Einströmen der Heimatvertriebenen einen erneuten Bevölkerungszuwachs um etwa 250 Personen. 1060 Seelen betrug der bisher höchste Einwohnerstand. Doch der Wohnraum war knapp und die heimische Wirtschaft vermochte den Flüchtlingen nicht die notwendigen Arbeitsplätze zu geben. Von 1951 an begann die Abwanderung in die Ballungsgebiete im Rheinland und im Rhein-Main-Gebiet. Die Bevölkerungszahl sank bis 1961 auf 868 herab. Als im Herbst 1945 auf Befehl der Amerikaner die Schulen wieder eröffnet wurden, unterrichteten an der Schule nacheinander die Lehrerinnen Heim und Anni Bieber. 1948 wurde Lehrer Paul Haack nach Altenburg versetzt, der an der Oberklasse bis zu ihrer Überführung in den Schulverband Alsfeld unterrichtete. Durch den Zuzug vieler Heimatvertriebener war im Herbst 1947 eine erneute Teilung der Schule notwendig geworden; sie war nun dreiklassig. Die neu entstandene 3. Klasse zog 1948 in den Rittersaal des Riedeselschen Schlosses. Sie wurde betreut von den Lehrern Anhalt und Bernhard Schulze. Nur etwa 8 Jahre lang blieb die 3. Klasse bestehen. Nach dem Abzug vieler Heimatvertriebener wurde sie wieder aufgelöst. Während Lehrer Otto Diehl 1954 nach Gießen versetzt wurde, hatten Lehrer Haack und Lehrerin Werner die beiden Klassen bis zu ihrer Übernahme durch den Schulverband Alsfeld, dem die Gemeinde Altenburg beitrat, fortgeführt. *) Etwa 300 Jahre lang war also in Altenburg eine selbständige Schule. In dieser Zeit gaben viele Lehrer nacheinander den Kindern der Altenburger das für sie notwendige geistige Rüstzeug. Mit den steigenden neueren Erkenntnissen und Erfordernissen wuchs der Bildungsplan. Die neue Zeit erforderte eine umfassende Ausbildung der Jugend. dem die alte Dorfschule nicht mehr gewachsen war.
Nach der Währungsreform setzte erst allmählich, dann in erheblichem Maße eine neue Bauwelle ein. Vier neue Straßenzüge entstanden in den Jahren 1952 bis 1965: "Am Triesch', "Gartenstraße" (heute "Forsthausstraße"), "Grüner Weg" und "Steinweg". Hier entstand im Zuge des neuen Bauleitplanes ein modernes Wohnviertel. 1963 wurde die Kanalisation gebaut und an das Kanalnetz der Stadt Alsfeld angeschlossen. Die meisten Straßen erhielten eine Asphaltdecke mit bequemen Bürgersteigen. Die evangelische Kirchengemeinde schuf ein modernes Gemeindehaus, das sich an den 1896 entstandenen Kindergarten anschließt. Der Friedhof wurde erweitert, eine Leichenhalle erbaut.

Die Gefriergemeinschaft

Hier in Altenburg gibt es zwei Gefrierhäuser. Eins davon ist sogar noch in Betrieb und wird von der Gemeinschaft nach wie vor genutzt.
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nahmen die Dörfer im Vogelsbergkreis eine rasante Entwicklung. Diese stellte sich z.B. dar, im flächendeckenden Anschluss sämtlicher bewohnter Gebäude an die Stromversorgung, an die Wasserversorgung, die Abwasserentsorgung den Bau von Schulgebäuden, der Asphaltierung von Straßen, Wegen Plätzen usw.
In den ländlich geprägten Regionen war die Versorgung der Familien durch Hausschlachtungen und dem Anbau von eigenem Obst und Gemüse die Regel. Neben verschiedenen althergebrachten Möglichkeiten, die Haltbarkeit dieser Produkte über einen längeren Zeitraum sicher zu stellen, gewann die, des Tiefgefrierens recht rasch eine besondere Bedeutung. So bildeten sich in den Dörfern Gefriergemeinschaften im Rahmen von Genossenschaften. Hier in Altenburg ist das schon relativ früh geschehen, indem im Stockwiesenweg auf dem Gelände der damals noch selbstständigen Gemeinde das erste Gefrierhaus bereits im Jahr 1955 erbaut und in Betrieb genommen wurde. In diesem standen den Mitgliedern neben Vorfrostzellen 36 Gefrierfächer zur Verfügung. Zudem ein Kühlraum, der über ein eigenes Aggregat betrieben wurde. In diesem konnten insbesondere Schweine- und Rinderhälften bis zur endgültigen Verarbeitung aufbewahrt werden. Auch durch die Jägerschaft wurde dieses besonders in den Sommermonaten recht häufig genutzt. Zu dieser Zeit verfügte Altenburg über nahezu 900 Einwohner. Aufgrund der enormen Nachfrage wurde bereits wenig später, im Jahr 1957 ein weiteres Gefrierhaus ebenfalls auf einem Grundstück der Gemeinde Altenburg im Keidelsweg errichtet und in Betrieb genommen. Dieses beinhaltet neben der Möglichkeit des Vorfrostens 24 Gefrierfächer.
Gegenwärtig sind in den Haushalten in der Regel eigene Gefriertruhen vorhanden, die durch Entwicklungen im Laufe der letzten Jahrzehnte ihre Energieeffizienz erheblich verbessern konnten. Hausschlachtungen sind zur Seltenheit geworden und private Gärten für Obst- und Gemüseanbau sind nur noch wenige vorhanden. Somit wurde das noch funktionsfähige Gefrierhaus im Stockwiesenweg im Jahr 2008 nach 53 Jahren abgeschaltet. Nachdem es von einer Altenburger Familie zunächst noch als Abstellmöglichkeit genutzt wurde, ist es im Mai 2015 wegen baulicher Mängel im Rahmen der Dorferneuerung zu Gunsten eines geplanten Multifunktionsplatzes zurückgebaut worden. Das Gefrierhaus im Keidelsweg wird weiterhin durch die Gefriergemeinschaft Altenburg genutzt. Alle Gefrierfächer sind belegt und weitere Interessenten sind vorhanden.

Anmerkung: Karl Schäfer schreibt über die schulische Entwicklung in Altenburg: Schulträger waren 1957 noch die politischen Gemeinden. Auch im schulischen Bereich wurden im Zuge des Strukturwandels der Nachkriegszeit Reformen notwendig. Zur Verbesserung des Bildungsangebotes schloss man sich zu Schulverbänden zusammen. Einer der ersten in unserem Bereich war der Schulverband Alsfeld. Er wurde Ende der 50er Jahre gegründet und umfasste neben der Kreisstadt Alsfeld auch die Gemeinden Altenburg, Eudorf, Elbenrod, Fischbach, Liederbach und Reibertenrod. Zu den Verbandsversammlungen entsandte jedes Mitglied zwei Vertreter. Die Oberstufe der Altenburger zweiklassigen Volksschule wurde nach den Osterferien 1962 nach Alsfeld eingeschult. Das gleiche sollte auch mit den dann verbleibenden Grundschulklassen 1 - 4 alsbald geschehen, erfolgte aber erst nach Übernahme der Schulträgerschaft durch den Landkreis. Mit Beginn des Schuljahres 1970/7] zu Ostern gingen dann das dritte und vierte Schuljahr in die Gerhard-Hauptmann-Schule nach Alsfeld. Die Klassen 1 und 2 verblieben zunächst in Altenburg, wurden dann aber 1973 nach den Osterferien in Alsfeld eingeschult." Mehrmals nahm die Gemeinde am Wettbewerb "Unser Dorf soll schöner werden" teil und errang beachtliche Preise. Häuser und Gärten wurden verschönert.
An dieser Stelle muss der aufgeschlossene und rege Bürgersinn der Altenburger ein besonderes Lob erfahren. Vieles wurde in Selbsthilfe getan. Der Sportplatz wurde erheblich verbessert, durch Eigenleistung entstand ein Sportheim. Aus dem ehemaligen kleinen Bauerndorf ist eine ansehnliche und sehr ansprechende Wohngemeinde geworden, die durch den Reiz ihrer landschaftlichen Lage besonders anziehend wirkt.


Literatur:
Otto Diehl: Aus der Geschichte der Altenburg, in der Festschrift zum 100- jährigen Bestehen des MGV "Erheiterung" Altenburg, 1868-] 968.
Otto Diehl: Die Siedlung Altenburg, in der Festschrift zum Verbandstag des Kreisfeuerwehrverbandes Alsfeld 1969
Heinz Heilbronn: Geschichte der Gefrierhäuser 2015